Ein Bergsommer wie damals

Wie auf einem Aussichtsbalkon thront das kleine Bergdorf St. Lorenzen im UNESCO Biosphärenpark Kärntner Nockberge auf 1.475 Metern Seehöhe. Ein lauer Wind trägt das Glockengeläut der gleichnamigen Pfarrkirche über die Bergkuppen in die Täler hinaus. Der Zeiger steht auf 10 Uhr. Pünktlich treffen wir uns mit Biosphärenparkranger Markus Böheim, um gemeinsam mit ihm zu einer Natur- und Kulturwanderung aufzubrechen. „Um das Jahr 1200 ist dieses Gebirgsbauerndorf entstanden“, erzählt Markus. Einst lebten über 100 Menschen hier, heute sind lediglich 17 Hauptwohnsitze gemeldet. „Wir sind in der höchstgelegenen Pfarre Kärntens, sie ist dem Heiligen Laurentius geweiht.“ Andächtig betrachten wir den Hochaltar, jeder darf für sich kurz gedenken und Kraft tanken. Eines ist sofort klar: Dieser Ort ist besonders, für Markus hat er etwas Magisches an sich: „Versucht langsam zu gehen, lasst die Eindrücke auf euch wirken und seit achtsam.“

Einzigartiges Bergkiefern-Hochmoor

Stille kehrt ein, während wir den Wanderweg zum St. Lorenzener Hochmoor folgen. Ein kurzer Blick auf das Handy beweist mir, dass die Außenwelt ohnehin weit weg ist: Kein Netz. Umso besser, so kann kein störendes Piepsen die klaren Melodien der unzähligen Vögel unterbrechen, welche in diesem Natura 2000 Schutzgebiet ihr Zuhause gefunden haben. Es ist ein wahres Paradies für Meisen, Spechte, Braunkehlchen und Tannenhäher. Die Entstehung des Moores fällt erdgeschichtlich in die Zeit während und nach der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren. „Da, wo wir jetzt stehen, war früher alles mit Wasser bedeckt“, erzählt Markus. Daraus hat sich das elf Hektar große Bergkiefern-Hochmoor entwickelt, wo die ansässigen Bauern einst Torf abbauten. „Der Abbau erfolgte mit einem Spezialspaten. Anschließend wurden die gewonnenen Torfziegel auf Stangen getrocknet, an einer Hütte am Moorrand gelagert, um schließlich talauswärts zur Torfmühle zur weiteren Verarbeitung transportiert zu werden.“ 1968 wurde der Abbau aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Heute stört niemand mehr dieses Kleinod, dank einer Aussichtsplattform genießen wir einen herrlichen Blick über dieses Naturjuwel. 

Seltene Tier- und Pflanzenarten

25 Dämme sorgen dafür, dass der Wasserspiegel nicht sinkt und das Moor austrocknet, leben dort doch viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Untersuchungen erbrachten sensationelle wissenschaftliche Entdeckungen bei seltenen Insekten, Schmetterlingen und Fledermausarten, Luchs und Bär werden als Durchzugsgäste ebenfalls wahrgenommen. Innerhalb und rund um das Moor wächst die Apotheke sprichwörtlich am Wegesrand: „Blutwurz, Knabenkraut, Augentrost, Ferkelkraut, Rotklee und das pinkfarbene Katzenpfötchen, all das sind Heilpflanzen mit besonderen Kräften. Die Wurzel der Blutwurz verfügt beispielsweise über einen sehr hohen Anteil an Gerbstoffen. Diese wirken zusammenziehend, antibakteriell, antiviral sowie entzündungshemmend.“

Die Kirche St. Anna

Während wir den Worten des belesenen Rangers lauschen und den kleinen Wundern der Natur unsere volle Aufmerksamkeit schenken, merke ich, wie befreiend es ist, einfach achtsam durch Wald, Wiese und Moor zu spazieren, ohne einen schweißtreibenden Gipfelsieg vor Augen, ohne den Drang, ein perfektes Foto für die privaten Social Media Kanäle zu posten. Einfach sein, einfach durchatmen, einfach die Natur spüren, mehr muss man hier für etwas Seelenheil nicht tun, den Rest erledigt Mutter Erde. Mit diesen friedvollen Gedanken wandern wir weiter zur Filialkirche St. Anna. Der Legende nach fand dort der „Mahrhofer-Bauer“ einst ein Bild der heiligen Mutter Anna und trug es in sein Haus hinab. Am folgenden Morgen jedoch befand sich das Bild wieder am Fundort. Sooft es der Bauer versuchte, es blieb nicht in seinem Haus. Darum ließ er das Annakirchlein bauen, in welchem das Bild aufgestellt wurde und geblieben ist. Dass unter dem Antlitz dieser Heiligen so manch geschundener Geist Hilfe suchte, beweisen die vielen Votivbilder und Bittsprüche, die in der Vorlaube zu finden sind. Auch wir halten inne und jeder spricht für sich ein stilles Gebet.

Einkehrschwung im Gasthaus von Hertha Pertl

In St. Lorenzen findet man sie noch: Die großen Wunder, die im Kleinen verborgen liegen. Die Einheimischen wissen um diesen Schatz Bescheid, hegen und pflegen ihn sorgsam von Generation zu Generation. Hertha Pertl ist so eine gute Seele, sie dürfen wir zum Abschluss unserer Tour noch kennenlernen. In ihrem Gasthaus stärken wir uns mit einer regionalen Brettljause. Glundner Käse, Gurkaler Speck, Würstl und frisches Bauernbrot füllen unsere leeren Energiespeicher wieder auf. Dazu genießen wir herrliche Weitblicke ins Tal hinab. Und irgendwo dort,  am fernen Horizont wartet er wieder auf uns, der Alltag. Doch eines ist gewiss: Den Ort für eine erholsame Auszeit, den habe ich für mich im Biosphärenpark Kärntner Nockberge gefunden.

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Bilder und Text: Sabine Ertl

Autorenvorstellung: Sabine Ertl

Ich bin selbstständig mit meiner Werbeagentur Gedankenschmiede ... weil ... ich meinen kreativen Gedanken gerne freien Lauf lasse. Mit Wandern, Laufen, Reiten, Bergsteigen, Reisen und neue Wege entdecken verbringe ich meine Freizeit.

Das besondere an der Kärntner Natur ist für mich die einzigartige Vielfalt verpackt in einer unvergleichbaren, bestechenden Schönheit. Das fasziniert mich an Kärnten am meisten: Der Süden spielt wirklich alle Stücke, man muss sich lediglich darauf einlassen. Ich für meinen Teil erlebe das jeden Tag aufs Neue – und das macht Kärnten für mich nun mal so einzigartig lebenswert.

Lieblingszitat: ... alle sagten: „Das geht nicht.“ Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s einfach gemacht.


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